Was ist Spiritualität
heil, ganz, gesund?
von Johanna Fischer
Spiritualität liegt im Trend. Menschen interessieren sich verstärkt für spirituelle Fragen. Sie besuchen Kurse und Seminare,
in denen Meditation, Kontemplation oder Selbsterfahrung angeboten werden. Sie versuchen, beim Wandern durch die Wüste,
bei der Bergbesteigung, beim Aufenthalt im Kloster auf Zeit spirituelle Erfahrungen zu machen.
Die innere Welt ergründen, in sich gehen, um zu sich selbst und zu Gott zu kommen, den eigenen Leib achtsam erspüren und
neue seelische Innenräume erschließen, das wahre Selbst entdecken – das und noch viel mehr wird versprochen und ernsthaft
angestrebt. Mit dem Begriff „Spiritualität“ werden Werte wie Glück und Harmonie, Gelassenheit und Frieden verbunden.
Mit Spiritualität wird auch die Möglichkeit verbunden, die im Menschenwohnenden Heilkräfte zu wecken.
Sehnsucht nach Spiritualität
Immer mehr Menschen leiden an der Hektik, dem Leistungsdruck, der Rastlosigkeit, der Informations- und Medienflut,
der materiellen Übersättigung, dem Dauerlärm unserer Welt, und immer mehr Menschen erkranken ernsthaft.
Sie spuüren, dass etwas zu kurz kommt, dass etwas verloren gegangen ist.
Spiritualität ist die Sehnsucht nach Entschleunigung, nach Stille: nichts leisten zu müssen, einfach da sein zu dürfen.
Spiritualität ist der Wunsch, nicht von anderen bestimmt zu werden, sondern selber etwas zu erleben, sein Leben selbst zu gestalten,
sich als lebendiges Wesen zu spüren.
Außen und innen gehören zusammen -
der Mensch lebt nicht vom Brot allein
Aus der Erkenntnis, dass Leistung wichtig ist, aber den Wert des Lebens nicht ausmacht, wächst die Sehnsucht nach einem sinnerfüllten
und wertvollen Dasein, das mehr ist als alles, was sich kaufen und machen lässt. Außenwelt und Innenwelt gehören zusammen.
Beide müssen gelebt, gestaltet und versorgt werden, um gesund zu bleiben. Vernachlässigung verursacht Schäden.
Menschen spüren, wenn der innere Mensch, die Seele, Schaden genommen hat. Diese uralte Erkenntnis ist treffend formuliert in dem
Jesus-Wort: “Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?“
Was ist Spiritualität?
Der Begriff „Spiritualität“ leitet sich ab von dem lateinischen Begriff „spiritus“ = „Geist“. Dieser Oberbegriff enthält eine Fülle von
Bedeutungen, die uns dem Begriff „Spiritualität“ näherbringt.
- Lufthauch, Wind = Bewegung, Veränderung, Erfrischung
- Atmen = Bewusstsein der Lebendigkeit
- Ton, Stimme = Sprache, Beziehung, Gefühl
- Seele, Geist = das Ewige, Unverlierbare im Menschen
- Lebensluft, Leben = Geschenk und Aufgabe
- Gesinnung = Werte verwirklichen
- Begeisterung, Schwung = befähigt mich zu handeln
- Wagemut, Selbstbewusstsein = ich bin einzigartig, habe ein Kraftpotential, kann etwas bewirken
- Stolz, Trotz = ich bin gewollt, angenommen, vom Leben berufen, das Leben hält Aufgaben für mich bereit,
ich kann Widerstände überwinden. Spiritualität umfasst den ganzen Menschen.
Jeder hat die Fähigkeiten zu Spiritualität
Schon 1962 bei der Gründung der Gesellschaft für humanistische Psychologie wurde die wesentliche Bedeutung der spirituellen
Dimension für die Lebenswelt des Menschen hervorgehoben. Sie gehört zum Menschsein dazu, sie macht Menschsein aus,
sie kann nicht „abgewählt“ werden. Spiritualität heißt offen sein, sich berühren, sich beschenken zu lassen von einer höheren
Wirklichkeit, von einer höheren Macht, von Gott. Diese Macht, diese Kraft, wirkt in mir und in allem, was mich umgibt.
Spiritualität heißt, nach einem höheren Sinn zu streben, der über die täglichen Bedürfnisse hinausgeht. Spiritualität heißt,
mein Leben nach diesem höheren Sinn auszurichten.
Spirituell leben – eine Grundhaltung
auf Empfang stellen: darauf zu horchen, was das Leben jetzt von mir will; darauf zu horchen, was meine Umgebung mir
mitteilen will; demütig sein: sich beschenken lassen, sich hingeben an eine Aufgabe, an einen Menschen; mit ganzem Herzen:
mit allen Kräften, mit ganzer Aufmerksamkeit, mit allen Sinnen jetzt bei der Sache sein. Alle Seinsebenen sind beteiligt,
der ganze Mensch ist gemeint, das Zentrum des Menschseins ist angesprochen: „ Man sieht nur mit dem Herzen gut;
das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“.